Zur Haftung eines Auszubildenden für Schaden durch Gabelstaplerunfall

BAG, Urteil vom 18.04.2002 – 8 AZR 348/01

Ein vorsätzlicher Pflichtverstoß führt nur dann zur vollen Haftung des Arbeitnehmers, wenn auch der Schaden vom Vorsatz erfaßt ist.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 18. Januar 2001 – 3 Sa 289/00 – aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand
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Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen eines Unfalls mit einem Gabelstapler auf dem Betriebsgelände der Klägerin.

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Der am 21. Dezember 1981 geborene Beklagte war bei der Klägerin, einem Einzelhandelsbetrieb, vom 1. September 1997 bis 31. August 1999 als Auszubildender für den Beruf des Verkäufers mit einer im ersten Ausbildungsjahr 600,00 DM netto betragenden Ausbildungsvergütung beschäftigt.

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Im Rahmen der Ausbildung war der Beklagte auch im Lager tätig. Dort befindet sich ein Gabelstapler, der von den ausgebildeten Mitarbeitern zum Warentransport genutzt wird. Der Beklagte besaß weder einen Führerschein für das Fahrzeug, noch war er in die Bedienung des Gabelstaplers eingewiesen worden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war dem Beklagten ausdrücklich untersagt worden, mit dem Gabelstapler zu fahren. Anfang Mai 1998 stieß der – damals rund 16 1/2 Jahre alte – Beklagte mit dem Gabelstapler beim Ausfahren aus der Lagerhalle mit den zwei hochgefahrenen Gabeln gegen das nicht vollständig geöffnete Sektionaltor und beschädigte zwei Segmente sowie die Zugeinrichtungsteile des Tores. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß das Tor keine Vorschäden aufwies. Wegen des entstandenen Schadens von 6.900,00 DM machte die Klägerin mit Schreiben vom 11. März 1999 gegenüber dem Beklagten Ersatzansprüche erfolglos geltend. Diese Ansprüche verfolgt sie mit der Klage weiter.

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Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe sich über das Verbot, mit dem Gabelstapler zu fahren, vorsätzlich hinweggesetzt und durch Unachtsamkeit das Sektionaltor sowie die Zugeinrichtungsteile erheblich beschädigt. Am Unfalltag sei der Beklagte weder beauftragt worden einen Lastkraftwagen abzuladen, noch habe sich im Unfallzeitpunkt ein mit Fahrrädern beladener Lastkraftwagen vor dem Lager befunden. Eine Haftungsbeschränkung kommt nach Auffassung der Klägerin in Anbetracht der vorsätzlichen Handlungen des Beklagten nicht in Frage. Sie hat vorgetragen, zwischen dem Angestellten L und dem Vater des damals noch nicht volljährigen Beklagten habe es in der Folgezeit ein Gespräch gegeben, in dem vereinbart worden sei, daß der Beklagte den eingetretenen Schaden ersetze. Die Klägerin habe auch nicht anläßlich der Kündigungsrücknahme im Verfahren 3 Ca 103/99 und der Erklärung, aus der Kündigung keinerlei Rechte herleiten zu wollen, auf den Schadensersatzanspruch verzichtet. Schließlich meint die Klägerin, der Anspruch sei auch nicht nach dem Manteltarifvertrag verfallen.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.900,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 25. März 1999 zu zahlen.

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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

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Er hat behauptet, am Unfalltag habe sich auf dem Firmengelände ein mit Fahrrädern beladener Lastkraftwagen befunden. Er habe von Frau L – einer Mitarbeiterin der Klägerin im Bereich Sekretariat/Buchhaltung – die Anweisung bekommen, diesen mit Fahrrädern beladenen Lastkraftwagen abzuladen. Inwieweit Frau L zur Abgabe dieser Arbeitsanweisung legitimiert gewesen sei, entziehe sich seiner Kenntnis. In der Praxis sei es – was zwischen den Parteien unstreitig ist – so gewesen, daß alle Mitarbeiter der Klägerin ihm Anweisungen erteilt hätten. Nachdem der Beklagte die abzuladenden Fahrräder besichtigt und gesehen habe, daß diese einzeln in Kartons verpackt und in bestimmten Anzahlen auf Paletten zusammengefügt gewesen seien, sei angesichts des Gewichts nur ein Abladen mit dem Gabelstapler in Betracht gekommen. Der Beklagte hat behauptet, eine Verpflichtung zum Schadensersatz sei auch nicht von seinem Vater anerkannt worden. Im übrigen sei der Anspruch verfallen; die Klägerin habe außerdem anläßlich der Rücknahme der Kündigung auf seine Geltendmachung verzichtet.

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Das Arbeitsgericht hat der Klage iHv. 1.725,00 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin vollen Schadensersatz.

Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

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I. Das Landesarbeitsgericht hat sich die Feststellungen des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht und angenommen, daß dem Beklagten die Benutzung des Gabelstaplers untersagt gewesen sei. Gegen dieses Verbot habe der Beklagte verstoßen. Der Schaden sei aber zu quoteln. Die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung erfasse alle Tätigkeiten, die durch den Betrieb veranlaßt und auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geleistet worden seien. Zwar kämen Haftungseinschränkungen bei vorsätzlichem Handeln nicht in Betracht. Ein vorsätzlicher Verstoß liege aber nur hinsichtlich des Verbots vor, den Gabelstapler zu benutzen. Das Bewußtsein, die Klägerin möglicherweise zu schädigen, habe dem Beklagten gefehlt. Insoweit habe kein Vorsatz des Beklagten, sondern grobe Fahrlässigkeit vorgelegen. Zur vollen Haftung müsse sich der Vorsatz des Schädigers aber auch auf die haftungsausfüllende Kausalität, also auf den konkreten Schadenseintritt erstrecken. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht die Erwägungen des Arbeitsgerichts übernommen und unter Berücksichtigung der Höhe der Ausbildungsvergütung sowie des Verschuldensgrades den Beklagten – im Einklang mit dem Arbeitsgericht – verurteilt, den Schaden in Höhe eines Viertels der Schadenssumme zu tragen.

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II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die zur Entscheidung des Rechtsstreits notwendige Tatsachenfeststellung ist bislang nicht vollständig erfolgt. Die zulässige Revision hat daher Erfolg.

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1. Das Berufungsurteil unterliegt jedoch nicht schon deshalb der Aufhebung und Zurückverweisung, weil es nicht mit Gründen versehen ist. Gelangt ein mit Tatbestand und Entscheidungsgründen und allen richterlichen Unterschriften versehenes vollständiges Urteil nicht innerhalb von fünf Monaten seit seiner Verkündung zur Geschäftsstelle, so ist es als ein Urteil ohne Entscheidungsgründe (§ 551 Nr. 7 ZPO aF) anzusehen (GmS-OGB 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92BVerwGE 92, 367; BAG 4. August 1993 – 4 AZR 501/92BAGE 74, 44 = AP ZPO § 551 Nr. 22; 15. November 1995 – 2 AZR 1036/94 – AP ZPO § 551 Nr. 34 = EzA ZPO § 551 Nr. 4). Die Frist des § 551 Nr. 7 ZPO aF ist im Streitfall nicht gewahrt, denn das Berufungsurteil wurde am 18. Januar 2001 verkündet; es gelangte ausweislich des Hinweises des Landesarbeitsgerichts vom 3. Juli 2001 erst am 20. Juni 2001 und damit nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung vollständig abgefaßt und von allen Richtern unterschrieben zur Geschäftsstelle. Bei diesem Verfahrensverstoß handelt es sich jedoch um einen absoluten Revisionsgrund, der nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO aF von der Partei gerügt werden muß (BAG 12. Januar 1994 – 4 AZR 133/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge Rundfunk Nr. 22). Die Klägerin hat in der Revisionsbegründungsschrift ausdrücklich erklärt, daß sie keine Verfahrensrügen erhebt.

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2. Das angefochtene Urteil muß aber deshalb aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden, weil die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um eine abschließende Prüfung zu ermöglichen, ob die schädigende Handlung des Beklagten betrieblich veranlaßt war und deshalb überhaupt die Grundsätze über die Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung zur Anwendung kommen. Insoweit ist entscheidend, ob der Beklagte damit befaßt war, einen Lastkraftwagen mit Ware für den Betrieb abzuladen. Ferner ist vom Landesarbeitsgericht eine Feststellung darüber zu treffen, inwieweit dem Beklagten von der Mitarbeiterin L die nur mit einem Gabelstapler zu bewältigende Arbeitsanweisung gegeben wurde, von dem Lastkraftwagen Fahrräder abzuladen.

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a) Der Beklagte hat die Nebenpflicht, Fahrten mit dem Gabelstapler zu unterlassen, verletzt. Schuldhaft begangene Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses, die weder als Unmöglichkeit noch als Verzug zu qualifizieren sind, verpflichten nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zum Schadensersatz. Nach den gem. § 561 Abs. 2 ZPO aF bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin dem Beklagten die Nutzung des Gabelstaplers untersagt. Indem der Beklagte mit den zwei hochgefahrenen Gabeln gegen das nicht vollständig geöffnete Sektionaltor stieß, hat er objektiv pflichtwidrig gehandelt und durch die Beschädigung der zwei Segmente sowie der Zugeinrichtungsteile des Tores adäquat kausal einen Schaden von 6.900,00 DM herbeigeführt.

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b) Inwieweit die Grundsätze der Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung bei einer “betrieblich veranlaßten” Schädigung eingreifen, ist einer abschließenden revisionsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gelten für alle Arbeiten, die durch den Betrieb veranlaßt sind und auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden (BAG GS 27. September 1994 – GS 1/89 (A) – BAGE 78, 56, 67 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103; 12. Juni 1992 – GS 1/89BAGE 70, 337, 346 f. = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 101; 23. Januar 1997 – 8 AZR 893/95NZA 1998, 140 f.; MünchKomm-Müller-Glöge BGB 3. Aufl. § 611 Rn. 464). Diese Voraussetzung haben die Vorinstanzen zwar erwähnt, ihr Vorliegen aber nicht geprüft. Der Senat kann eine abschließende Prüfung nicht selbst vornehmen, da nicht alle maßgeblichen Tatsachen unstreitig sind bzw. vom Landesarbeitsgericht festgestellt wurden (BAG 21. Oktober 1987 – 4 AZR 49/87 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 19 = EzA TVG § 4 Druckindustrie Nr. 13).

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aa) Unstreitig ist, daß der Unfall an der Arbeitsstelle, während der Arbeitszeit und mit einem Betriebsmittel, dessen Nutzung dem Beklagten ausdrücklich untersagt war, stattgefunden hat. Dies rechtfertigt die Annahme einer betrieblichen Veranlassung allerdings noch nicht. Betrieblich veranlaßt sind nur solche Tätigkeiten des Arbeitnehmers, die ihm arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die er im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt (BAG GS 27. September 1994 – GS 1/98 (A) – aaO; 12. Juni 1992 – GS 1/98 – aaO; BAG 23. Januar 1997 – 8 AZR 893/95 – aaO; MüchKomm-Müller-Glöge aaO). Die Tätigkeit muß in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis stehen (BAG GS 12. Juni 1992 – GS 1/89BAGE 70, 337, 347 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 101; BAG 14. März 1974 – 2 AZR 155/73 – AP RVO § 637 Nr. 8 = EzA RVO § 637 Nr. 5).

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bb) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob der Beklagte die Fahrt mit dem Gabelstapler im betrieblichen Interesse ausführte. Es genügt nicht, darauf abzustellen, daß es deshalb zum Schadensereignis gekommen ist, weil der Schädiger im Betrieb anwesend war und diese Anwesenheit ihm erst die Gelegenheit gab, den Schaden zu verursachen (BAG 9. August 1966 – 1 AZR 426/65BAGE 19, 41, 45 = AP RVO § 637 Nr. 1). Ebensowenig ist die – mißbräuchliche – Benutzung eines Betriebsmittels für die Annahme einer betrieblichen Veranlassung ausreichend. Durch das Merkmal der betrieblichen Veranlassung soll nämlich sichergestellt werden, daß der Arbeitgeber nicht mit dem allgemeinen Lebensrisiko des Arbeitnehmers belastet wird (BAG GS 12. Juni 1992 – GS 1/89BAGE 70, 337, 346 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 101). Es ist deshalb dem privaten Lebensbereich des Beklagten zuzurechnen, wenn er auf Grund eines eigenständigen Entschlusses mit dem Gabelstapler auf dem Betriebsgelände fährt, ohne daß dieser Entschluß durch eine betrieblichen Zwecken dienende Tätigkeit auch nur veranlaßt wurde (vgl. BAG 9. November 1967 – 5 AZR 147/67BAGE 20, 142 = AP VVG § 67 Nr. 1 zur Fahrt eines Tankstellengehilfen, der ohne im Besitz eines Führerscheins zu sein, abends nach Dienstschluß eine Schwarzfahrt mit einem Kundenfahrzeug unternahm). Ein lediglich räumlicher und zeitlicher Zusammenhang der Pflichtverletzung und der Arbeit ist mithin unzureichend. Als betrieblich veranlaßt wäre die Fahrt dagegen dann anzusehen, wenn der Beklagte mit dem Stapler auf dem Weg war, um – was zwischen den Parteien streitig ist – einen Lastkraftwagen zu entladen. Erst recht müßte dies gelten, wenn der Beklagte sogar von Frau L – so sein von der Klägerin bestrittener Vortrag – angewiesen worden ist, die Fahrräder abzuladen.

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cc) Ist die Tätigkeit, bei der der Unfall eingetreten ist, vom Schädiger im Betriebsinteresse übernommen worden, spielt es für die Frage der betrieblichen Veranlassung keine Rolle, ob sie fehlerfrei oder fehlerhaft erledigt und ob bei der Arbeit vorsichtig oder leichtsinnig gehandelt wurde. Insbesondere ist es dann – bei betriebsbezogenem Handeln – entgegen der Auffassung der Klägerin rechtlich ohne Belang, wenn die Tätigkeit nicht so wie geschehen ausgeführt werden durfte (BAG 9. August 1966 – 1 AZR 426/65BAGE 19, 41, 48 = AP RVO § 637 Nr. 1). Der betriebliche Charakter der Tätigkeit geht nicht dadurch verloren, daß der Arbeitnehmer bei Durchführung der Tätigkeit grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt. Zwar liegen derartige Verhaltensverstöße nicht im Interesse des Arbeitgebers. Dem wird aber durch eine entsprechende Haftung des Arbeitnehmers Rechnung getragen. Für die betriebliche Veranlassung reicht es, daß die jeweilige Tätigkeit als solche dem vertraglich Geschuldeten entspricht, mag dies für die Durchführung auch nicht gelten (vgl. Otto/Schwarze Die Haftung des Arbeitnehmers 3. Aufl. Rn. 139).

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dd) Hinsichtlich der Beurteilung des Merkmals der betrieblichen Veranlassung kommt es mithin entscheidend darauf an, welchen Zwecken die Fahrt mit dem Gabelstapler zu dienen bestimmt war. Die Darlegungs- und Beweislast für die Betrieblichkeit der schadensursächlichen Tätigkeit trägt nach den Grundregeln der Beweislastverteilung derjenige, dem diese Tatsache günstig ist, also der Arbeitnehmer (MünchKomm-Müller-Glöge aaO § 611 Rn. 480). Der Beklagte hat die betriebliche Veranlassung schlüssig vorgetragen. Er hat auf den mit Fahrrädern beladenen Lastkraftwagen hingewiesen und die Behauptung aufgestellt, ihm sei von der Mitarbeiterin L die Weisung erteilt worden, den Lastkraftwagen zu entladen. Der Beklagte hat ferner für seine Behauptungen Beweismittel angeboten.

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ee) Diese Feststellungen sind nicht deshalb entbehrlich, weil es sich bei dem Beklagten um einen Auszubildenden handelte. Auch im Ausbildungsverhältnis ist gem. § 3 Abs. 2 BBiG von den üblichen Grundsätzen über die Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung auszugehen. Das Ausbildungsverhältnis als solches führt nicht zu einer noch weiterreichenden Haftungsfreistellung. Das Haftungsprivileg des Arbeitnehmers und die Vorschrift des § 828 Abs. 2 BGB reichen aus, um den Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses Rechnung zu tragen und einen Auszubildenden ausreichend zu schützen (BAG 7. Juli 1970 – 1 AZR 507/69AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 59 mit zustimmender Anm. Medicus = EzA BGB § 611 Gefahrengeneigte Arbeit Nr. 4; prinzipiell zustimmend auch Wohlgemuth BBiG 2. Aufl. § 9 Rn. 30, 31).

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3. a) Soweit nach Durchführung einer erneuten mündlichen Verhandlung bei einem für den Beklagten günstigen Ausgang der Beweisaufnahme von einer betrieblichen Veranlassung auszugehen sein sollte, greifen die Grundsätze der Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung ein. Dabei geht es darum, die Verantwortung des Arbeitgebers für die Organisation des Betriebes und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und das darin liegende Betriebsrisiko des Arbeitgebers mit einzubeziehen. Der Arbeitnehmer kann den vorgegebenen Arbeitsbedingungen in der Regel weder tatsächlich noch rechtlich ausweichen. Auf Grund des Weisungsrechts bestimmt der Arbeitgeber die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Damit prägt die vom Arbeitgeber gesetzte Organisation des Betriebes das Haftungsrisiko für den Arbeitnehmer (BAG GS 27. September 1994 – GS 1/89 (A) – aaO, zu C II 2 der Gründe; BAG 23. Januar 1997 – 8 AZR 893/95 – aaO, zu I 3 c der Gründe). Für die Haftung des Arbeitnehmers gilt daher gem. § 254 BGB analog folgendes: Vorsätzlich verursachte Schäden hat der Arbeitnehmer in vollem Umfang zu tragen. Bei grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers ist eine Haftungserleichterung zu seinen Gunsten nicht ausgeschlossen, sondern von einer Abwägung im Einzelfall abhängig (BAG 15. November 2001 – 8 AZR 95/01NZA 2002, 612; 12. Oktober 1989 – 8 AZR 276/88BAGE 63, 127 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 97). Ist der Schaden auf leichteste Fahrlässigkeit zurückzuführen, haftet der Arbeitnehmer gar nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer den Schaden anteilig zu tragen. Ob und ggf. in welchem Umfang er zum Ersatz verpflichtet ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlaß und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Primär ist auf den Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, die Versicherbarkeit des Risikos, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe seines Arbeitsentgelts sowie persönliche Umstände des Arbeitnehmers, wie etwa die Dauer der Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse sowie das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers abzustellen (BAG GS 27. September 1994 – GS 1/89 (A) – BAGE 78, 56, 60, 67 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103; 12. Juni 1992 – GS 1/89BAGE 70, 337, 339 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 101).

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b) Die Haftung des Arbeitnehmers ist mithin entscheidend davon abhängig, welcher Verschuldensgrad dem Arbeitnehmer zur Last zu legen ist. Der Begriff des Verschuldens und die einzelnen Arten des Verschuldens – einfache oder grobe Fahrlässigkeit – sind Rechtsbegriffe. Die Feststellung einer “Fahrlässigkeit” ist durch die Revision nachprüfbar (BAG 19. März 1959 – 2 AZR 402/55 – BAGE 7, 291, 301). Bei der Bestimmung des Verschuldensgrades steht dem Tatsachenrichter aber ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu, da die Feststellung der Voraussetzungen im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegt (BAG 17. Oktober 1991 – 8 AZR 230/90 – nv.). Das Revisionsgericht kann lediglich prüfen, ob der Tatsachenrichter von den richtigen rechtlichen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und Denkgesetze, Erfahrungssätze und Verfahrensvorschriften nicht verletzt hat (BAG 13. März 1968 – 1 AZR 362/67AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 42; 18. Dezember 1970 – 1 AZR 177/70BAGE 23, 151 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 63; 7. Juli 1970 – 1 AZR 505/69AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 58 = EzA BGB § 611 Gefahrengeneigte Arbeit Nr. 3; 17. Oktober 1991 – 8 AZR 230/90 – nv.). Eine Aufhebung des Berufungsurteils kann erfolgen, wenn eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums durch den Tatsachenrichter festzustellen ist (BAG 22. Februar 1972 – 1 AZR 223/71AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 70 = EzA BGB § 611 Gefahrengeneigte Arbeit Nr. 10, zu II 2 a der Gründe).

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aa) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, daß der Beklagte gem. § 276 Abs. 1 BGB aF schuldhaft gehandelt hat. Dabei ist dem Beklagten hinsichtlich der Pflichtverletzung vorsätzliches Handeln vorzuwerfen. Er hat nämlich wissentlich und willentlich sowie im Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gehandelt, als er am Unfalltag unter Mißachtung des Benutzungsverbots mit dem Gabelstapler gefahren ist. Bei Zugrundelegung des oben dargelegten eingeschränkten Prüfungsmaßstabes ist des weiteren die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe hinsichtlich des Schadenseintritts nicht vorsätzlich (§ 276 BGB aF), sondern lediglich grob fahrlässig (§ 277 BGB) gehandelt, revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Vorsatz ist nämlich nur dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer den Schaden in seiner konkreten Höhe zumindest als möglich voraussieht und ihn für den Fall des Eintritts billigend in Kauf nimmt. Über die Erkenntnis der Möglichkeit des Eintritts eines schadenstiftenden Erfolges hinaus ist erforderlich, daß der Schädiger den als möglich vorgestellten Erfolg auch in seinen Willen aufnimmt und mit ihm für den Fall seines Eintritts einverstanden ist (vgl. BGH 18. Oktober 1952 – II ZR 72/52BGHZ 7, 311, 313; 19. März 1992 – III ZR 16/90BGHZ 117, 363, 368). Dagegen handelt lediglich grob fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet läßt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zum rein objektiven Maßstab bei einfacher Fahrlässigkeit sind bei grober Fahrlässigkeit auch subjektive Umstände zu berücksichtigen. Es kommt also nicht nur darauf an, was von einem durchschnittlichen Anforderungen entsprechenden Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises in der jeweiligen Situation erwartet werden konnte, wozu auch gehört, ob die Gefahr erkennbar und der Erfolg vorhersehbar und vermeidbar war; abzustellen ist auch darauf, ob der Schädigende nach seinen individuellen Fähigkeiten die objektiv gebotene Sorgfalt erkennen und erbringen konnte (BAG 12. November 1998 – 8 AZR 221/97BAGE 90, 148 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 117).

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bb) Diese Maßstäbe hat das Landesarbeitsgericht beachtet. Bei Zugrundelegung des unstreitigen Sachverhalts und der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß der Beklagte das Tor grob fahrlässig beschädigt hat. Es ist regelmäßig mit hohen Gefahren verbunden, wenn ein Auszubildender ohne Fahrerlaubnis und ohne eine sonstige Einweisung mit dem Gabelstapler fährt. Es liegt dann eine mangelnde Erfahrung in einem ungewöhnlich hohen Maß vor, es fehlt die Eignung zur Ausführung der Tätigkeit. Deshalb sind bei einer beabsichtigten Fahrt durch ein Hallentor besonders hohe Anforderungen an Aufmerksamkeit und Konzentration zu stellen. Grundsätzlich vermindert mangelnde Fahrpraxis nicht die Sorgfaltspflichten, sondern erhöht die an diese zu stellenden Anforderungen (BAG 24. Januar 1974 – 3 AZR 488/72AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 74 = EzA BGB § 611 Gefahrengeneigte Arbeit Nr. 11, zu I 4 der Gründe). Diese Sorgfaltspflichten hat der Beklagte in einem ungewöhnlich hohen Maße außer acht gelassen. Nach den gem. § 561 Abs. 2 ZPO aF bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Beklagte ohne Beachtung elementarer Vorsichtsmaßregeln gegen das teilweise geschlossene Tor gefahren. Die Vorinstanzen haben – was nicht zu beanstanden ist – darauf abgestellt, daß der Beklagte, bevor er mit dem Gabelstapler durch das nicht vollständig geöffnete Tor fährt, sich hätte vergewissern müssen, daß er unter dem Tor hindurch fahren kann.

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cc) An der Beurteilung des Verschuldensgrades würde sich auch dann nichts ändern, wenn – was zwischen den Parteien streitig ist – der Beklagte von der Mitarbeiterin L die Weisung erhalten hätte, Fahrräder von einem Lastkraftwagen abzuladen und zur Verrichtung dieser Tätigkeit zwangsläufig ein Gabelstapler erforderlich gewesen wäre. Zwar hätte eine solche Weisung dem Beklagten Veranlassung für sein gefährliches Tun – der Gabelstaplerfahrt – gegeben und könnte mithin als eine Erhöhung des Betriebsrisikos mit der Folge eingestuft werden, daß sie die subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Beklagten mildern würde. Das Arbeitsgericht, dessen Erwägungen sich das Landesarbeitsgericht zu eigen gemacht hat, hat diesen Umstand indessen berücksichtigt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß sich der Beklagte an seinen Ausbilder oder auch an Frau L hätte wenden und erklären müssen, daß ihm die Ausführung des Auftrages nicht möglich sei, da zum Entladen der Gabelstapler nötig sei, und er diesen nicht führen dürfe. Die Vorinstanzen haben diesen Gesichtspunkt mithin für nicht ausreichend befunden, um einen geringeren Verschuldensgrad zu begründen. Damit haben die Vorinstanzen den Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums nicht überschritten.

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c) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich in Fällen der betrieblich veranlaßten Arbeitnehmerhaftung das Verschulden nicht nur auf die Pflichtverletzung, sondern auch auf den Eintritt eines Schadens beziehen muß.

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aa) Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ist zwar das Verschulden nur auf die Pflicht-, Rechtsguts- oder Schutzgesetzverletzung und nicht auch auf den eingetretenen Schaden zu beziehen (BGH 18. März 1955 – I ZR 52/53MDR 1955, 542; 20. März 1961 – III ZR 9/60BGHZ 34, 375, 381; 30. Mai 1972 – VI ZR 6/71BGHZ 59, 30, 39; 20. November 1979 – VI ZR 238/78BGHZ 75, 328, 329; Palandt/Heinrichs BGB 59. Aufl. § 276 Rn. 10; MünchKomm-Müller-Glöge aaO § 611 Rn. 475). Der Schaden muß nur adäquat kausal herbeigeführt worden sein. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen eine Weisung, die auch im Streitfall vorliegt, würde deshalb nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln zur vollen Haftung führen.

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Dementsprechend hat die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung vereinzelt das Verschulden nur auf die Pflichtverletzung bezogen (BAG 11. Mai 1983 – 7 AZR 841/79 – nv.; ähnlich auch LAG Köln 19. Juni 1998 – 11 Sa 1581/97 – LAGE BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 24).

30
bb) In anderen Fällen hat das Bundesarbeitsgericht das Verschulden auf den Schaden bezogen. In einem Fall vorsätzlicher Verletzung der Sorgfaltspflichten eines Bauleiters und dadurch verursachter Tötung eines Menschen hat das Bundesarbeitsgericht beispielsweise nur insgesamt grobe Fahrlässigkeit angenommen (BAG 1. Dezember 1988 – 8 AZR 65/84 – AP BGB § 840 Nr. 2 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 50). Ebenso bejahte das Bundesarbeitsgericht in dem Urteil vom 9. November 1967 (- 5 AZR 147/67BAGE 20, 142, 148 = AP VVG § 67 Nr. 1) lediglich grobe Fahrlässigkeit, obwohl der Auszubildende vorsätzlich entgegen einer Weisung des Arbeitgebers eine Schwarzfahrt mit einem Kundenfahrzeug durchführte und dabei auch zwei strafbare Handlungen beging.

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Im Urteil vom 3. März 1960 (- 2 AZR 377/58AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 22 = EzA BGB § 276 Nr. 4) erörterte das Bundesarbeitsgericht nur grobe Fahrlässigkeit bezüglich eines Schadenseintritts, obwohl der Arbeitgeber den Fahrer, der einige Tage vor dem Unfall durch zu schnelles und leichtsinniges Fahren aufgefallen war, verwarnt und ihm genaue Vorschriften über die einzuhaltende Höchstgeschwindigkeit gemacht hatte.

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cc) In weiteren Entscheidungen wurde die Frage des Bezugspunkts des Verschuldens offengelassen (BAG 12. Oktober 1989 – 8 AZR 276/88BAGE 63, 127 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 97, zu II 2 b der Gründe; 10. Mai 1990 – 8 AZR 209/89BAGE 65, 128 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 110).

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Deutlicher hat sich der Senat allerdings in dem Urteil vom 17. September 1998 (- 8 AZR 175/97BAGE 90, 9 = AP BGB § 611 Mankohaftung Nr. 2) festgelegt: Bei der Feststellung des Grades der Fahrlässigkeit sei zu prüfen, in welchem Umfang der Arbeitnehmer bezogen auf den Schadenserfolg schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob dem Arbeitnehmer über die allgemeine Pflicht, Schäden zu vermeiden, hinaus weitere Handlungspflichten auferlegt worden seien. Eine derartige Vereinbarung wäre unwirksam, weil sie die Haftung entgegen allgemeinen Grundsätzen zu Lasten des Klägers als Arbeitnehmer zu verschieben suchte.

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dd) Auch nach der im Schrifttum herrschenden Meinung muß sich das Verschulden in Fällen privilegierter Haftung auf den Schadenseintritt als solchen beziehen (MünchArbR/Blomeyer 2. Aufl. Bd. 1 § 59 Rn. 41; Deutsch Privilegierte Haftung und Schadensfolge NJW 1966, 705 ff., 710; derselbe Das Verschulden als Merkmal der Arbeitnehmer-Haftung RdA 1996, 1, 3; Gamillscheg Zum Vorsatz bei der Haftung des Arbeitnehmers RdA 1967, 375; MünchKomm-Müller-Glöge aaO § 611 Rn. 475; Staudinger/Richardi BGB 13. Bearbeitung § 611 Rn. 530; ErfK/Preis 2. Aufl. § 611 Rn. 1042; Döring Arbeitnehmerhaftung und Verschulden 1977 S 79; aA Otto AuR 1995, 72, 75; Otto/Schwarze aaO Rn. 164 ff., der lediglich für eine Überprüfung der Weisung nach § 315 BGB plädiert; vgl. auch Otto Verhandlungen des 56. DJT Bd. I E 64 ff., 92).

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ee) Dem ist zu folgen. Die Zuweisung des uneingeschränkten Haftungsrisikos für alle Schäden, die auf Grund der Verletzungshandlung des Schädigers entstanden sind, führt zu einem unbilligem Ergebnis, wenn für den Schädiger Haftungsprivilegierungen bestehen. Das Problem entsteht durch die fehlende Synchronisierung von Verschuldenskürzung und Risikozurechnung der Schadensfolgen (vgl. auch Deutsch NJW 1966, 705, 706). Die strenge Haftung für Pflichtverletzungen nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln führt nämlich zu einer vollen Risikozurechnung des Schadens. Verletzt der Schuldner schuldhaft seine Verpflichtung, so hat er für den adäquat verursachten Schaden einzustehen, selbst wenn er ihm unerkennbar war. Diese Art der Schadenszurechnung verstärkt noch das Risikomoment, wie es bereits in dem Einstehen für die objektiv-typisierte Sorgfalt gegeben ist (vgl. Deutsch NJW 1966, 705 f., 708).

36
Die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers verfolgt dagegen gerade das Ziel, ihn von der beschriebenen Risikozurechnung des Schadens zu entlasten (Staudinger/Richardi aaO § 611 Rn. 530). Dabei wird unter der Berücksichtigung des Äquivalenzgedankens und des erforderlichen Existenzschutzes des Arbeitnehmers eine Abstufung nach dem Verschulden vorgenommen. Die Gründe, die eine privilegierte Haftung des Arbeitnehmers rechtfertigen, tragen aber nicht nur eine Differenzierung des Verschuldensmaßstabes, sondern darüber hinaus eine Erstreckung des Verschuldens auf den Schaden (MünchKomm-Müller-Glöge aaO § 611 Rn. 475). Die Enthaftung des Arbeitnehmers geschieht nicht zuletzt deshalb, weil Schäden infolge von Tätigkeiten entstehen können, deren Schadensrisiko so hoch ist, daß der Arbeitnehmer typischerweise schon von seinem Arbeitsentgelt her nicht in der Lage ist, Risikovorsorge zu betreiben oder einen eingetretenen Schaden zu ersetzen. Hier drückt sich das zu Lasten des Arbeitgebers ins Gewicht fallende Betriebsrisiko ua. darin aus, daß der im Schadensfall zu erwartende Vermögensverlust des Arbeitgebers in einem groben Mißverhältnis zu dem als Grundlage in Betracht kommenden Arbeitslohn steht (BAG 12. Oktober 1989 – 8 AZR 276/88 – aaO, zu II 2 b der Gründe).

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Die bezweckte Entlastung von der Risikozurechnung des Schadens wird aber nicht erreicht, wenn sich Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nur auf die Pflicht- bzw. Schutzgesetzverletzung beziehen müssen (Staudinger/Richardi aaO). Das gilt insbesondere dann, wenn abstrakte Gefährdungsnormen übertreten werden oder der Arbeitgeber anordnet, daß bereits abstrakte Gefahren zu vermeiden sind. Hier wäre auf die Pflichtverletzung bezogen das Verschuldensmaß der Haftungsprivilegierung bereits häufig erreicht, obwohl hinsichtlich des daraus resultierenden Schadens unter Umständen nicht einmal normale Fahrlässigkeit vorliegt. An den vorsätzlichen Pflichtverstoß angeknüpft, wäre eine volle Haftung für alle Schäden unausweichlich.

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Ferner entspräche es nicht dem Schutzzweck der Haftungsbeschränkung, wenn man es dem Arbeitgeber weitgehend überließe, die Haftung des Arbeitnehmers dadurch zu verschärfen, daß durch die Weisung bereits abstrakte Gefahren zu vermeiden sind. Ein deshalb vom Arbeitgeber aufgestellter umfassender Pflichtenkatalog zur Meidung von Gefahren widerspräche außerdem letztlich auch dessen Interesse, denn ein solcher könnte bei den Arbeitnehmern eine lähmende, einem effektiven Betriebsergebnis entgegenstehende Vorsicht bewirken.

39
Dem allem kann nur begegnet werden, wenn man nicht nur die Haftung des Arbeitnehmers beschränkt, sondern auch das Verschulden auf den Schadenseintritt bezieht.

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ff) Soweit dagegen eingewandt wird (Otto/Schwarze aaO Rn. 167), die Kontrolle der Weisung gem. § 315 BGB sowie eine Haftungsreduktion nach Billigkeitsgesichtspunkten und nicht der Bezug des Verschuldens auf den Schadenseintritt sei der richtige Weg, um den Arbeitnehmer zu schützen, vermag dies nicht zu überzeugen. Einer unbilligen Verlagerung des Schadensrisikos ließe sich hierdurch nicht beikommen, da Anweisungen des Arbeitgebers zur Meidung abstrakter Gefahren in der Regel nicht gegen § 315 BGB verstoßen würden. Ebensowenig greift das Argument, die überwiegende Lehre nehme dem Arbeitgeber die Möglichkeit, zumindest in konkret begrenzten, schadensträchtigen Bereichen jedenfalls vorsätzliche Verstöße gegen seine Weisungen “bei Strafe” der vollen Haftung zu unterbinden, sie werde damit dem Präventionszweck besonderer Gefahrenvermeidungspflichten nicht gerecht (so Otto/Schwarze aaO Rn. 167). Denn soweit sich unter präventiven Gesichtspunkten ein konkreter Handlungsbedarf ergeben sollte, könnte dem durch das schuldrechtliche Institut der Vertragsstrafe Rechnung getragen werden. Sinn und Zweck der beschränkten Arbeitnehmerhaftung gebieten es, das hohe Risiko der Schadensentstehung bei betrieblichen Tätigkeiten dem Schädiger nur dann aufzubürden, wenn er den Schaden selbst, also das den Arbeitgeber finanziell belastende Ereignis vorsätzlich oder (mit Einschränkungen) grob fahrlässig herbeigeführt hat. Der Schädiger soll nur dann haften, wenn sein Verhalten gerade im Hinblick auf die Herbeiführung des Schadens zu mißbilligen ist. Der an ihn zu richtende Vorwurf ist nicht ausreichend, wenn sich die Schuld nicht gerade auch auf den Eintritt des Schadens beziehen läßt (vgl. auch BGH 20. November 1979 – VI ZR 238/78BGHZ 75, 328 zur Rechtslage nach den §§ 636, 637, 640 RVO aF). Das gilt auch dann, wenn eine abstrakte Gefährdungsnorm bewußt übertreten wird.

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d) Das Landesarbeitsgericht hat ferner zutreffend angenommen, daß auch bei grober Fahrlässigkeit eine Schadensteilung nicht ausgeschlossen ist (vgl. zuletzt Senat 15. November 2001 – 8 AZR 95/01NZA 2002, 612; 12. Oktober 1989 – 8 AZR 276/88 – aaO, zu II 2 der Gründe; 23. Januar 1997 – 8 AZR 893/95NZA 1998, 140, 141). Ob die Restschuldbefreiung nach den §§ 286 ff. InsO ein Vorbild für eine beschränkte Leistungspflicht sein könnte, wie die Revision meint, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Zwar handelt es sich um ein insolvenzverfahrensrechtliches Institut mit materiellen Wirkungen, das einen Maßstab auch für die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung schaffen könnte. Seine Grundsätze, nach denen vom Schuldner die pfändbaren Einkommensbestandteile für die Dauer von sieben Jahren abzuführen sind, könnten jedoch ohnehin nur eine äußerste Leitlinie bilden (richtig Ahrens Anm. zu AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 117). Auch der Senat hat bereits die Berücksichtigung der Dauer der Schadenstilgung gebilligt und dabei einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren akzeptiert (23. Januar 1997 – 8 AZR 893/95 – aaO). Wenn die Vorinstanzen diesem Gesichtspunkt bei der Bemessung der Schadensquote keine Beachtung geschenkt haben, ist dies nicht ermessensfehlerhaft. Wesentlich ist, daß die Höhe des Entgelts und insbesondere der Grad des Verschuldens in die Beurteilung eingeflossen sind (BAG 12. Oktober 1989 – 8 AZR 276/88 – aaO, zu II 2 b der Gründe). Dies ist im Streitfall geschehen.

42
e) Der Rechtsstreit ist auch nicht etwa deshalb entscheidungsreif, weil ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu Lasten des Beklagten vorliegt. Die Vorinstanzen haben den Abschluß einer dementsprechenden Vereinbarung verneint. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich und auch die Revision hat diesbezüglich keine Einwendungen erhoben.

43
f) Ebensowenig kann der Rechtsstreit deshalb schon entschieden werden, weil der Klageanspruch verfallen wäre. Nach § 18 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel des Landes Thüringen bezieht sich die Ausschlußfrist nur auf Ansprüche auf Zahlung oder Rückzahlung von Gehalt oder Lohn, tarifliche Eingruppierung und höhere tarifliche Eingruppierung, nicht dagegen auf Schadensersatzansprüche.

44
g) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist auch nicht verwirkt. Ob das Zeitmoment erfüllt ist, weil zwischen dem Schadensereignis und der Klagezustellung am 31. Dezember 1999 fast 20 Monate verstrichen waren, kann dahinstehen. Es fehlt nämlich am erforderlichen Umstandsmoment. Danach muß der Gläubiger ein Verhalten an den Tag gelegt haben, aus welchem der Schuldner schließen durfte, der Gläubiger werde den Anspruch nicht mehr geltend machen. Anhaltspunkte, die in diese Richtung weisen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

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h) Die Klägerin hat auf den Anspruch nicht verzichtet. Ein konkludenter Verzicht läßt sich, wie die Vorinstanzen zutreffend festgestellt haben, nicht der Erklärung der Klägerin anläßlich der Beilegung des Kündigungsschutzrechtsstreits, daß sie die Kündigung zurücknehme, diese für gegenstandslos erkläre und keine Rechte mehr daraus herleite, entnehmen.

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i) Weitergehende Schadensersatzansprüche der Klägerin ergeben sich letztlich auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Die Beschädigung des Tores stellt eine Eigentumsverletzung dar, die der Beklagte aus den genannten Gründen grob fahrlässig herbeigeführt hat. Bereits nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln im Deliktsrecht ist Bezugspunkt des Verschuldens die Rechtsgutsverletzung und nicht die Handlung des Schädigers. Demgemäß ist es von vornherein unzutreffend, wenn die Klägerin meint, eine arbeitsrechtlich begründete Haftungseinschränkung komme im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber in § 302 Nr. 1 InsO Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung aus dem Kreis derjenigen Forderungen herausgenommen habe, die einer Restschuldbefreiung zugänglich sind. Eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung liegt gerade nicht vor.

47
III. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

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